Große Digitalkonzerne wie Amazon oder Tencent in China planen den Einstieg in das Versicherungsgeschäft und werden damit zur Bedrohung für etablierte Versicherer. Deutsche Versicherungsmanager fordern daher eine verstärkte Kooperation von Versicherungsunternehmen, um eine gemeinsame Plattformen aufzubauen und so z.B. Daten für Analytics-Zwecke zu teilen, berichtet Thomas Magenheim-Hörmann in der Frankfurter Rundschau.
Als positive Referenz kann hierfür die Automobilindustrie dienen, wo die großen Automobilkonzerne bereits bei Mobilitätsdiensten kooperieren. Entsprechend müssten zukünftig auch Versicherer bei digitalen Innovationen zusammenarbeiten und ihr Wissen mit anderen teilen.
„Um mit Datensammelkraken wie Google bei der modernen Datenanalyse mithalten zu können […], müsse die Assekuranz auch ihre Datenschätze zu einem gemeinsamen See zusammenfließen lassen.“
Die Digitalisierung habe aber auch Auswirkungen auf Produkte und Prozesse der Versicherer. Während Produkte einfacher würden, indem die Anzahl der Merkmale für die Tarifbestimmung sinkt, sorge die Künstliche Intelligenz für eine weitere Automatisierung der Prozesse und damit zu einem deutlichen Stellenabbau in der Sachbearbeitung.
Ich halte den Kooperations-Ansatz grundsätzlich für richtig, bin allerdings aus mehreren Gründen skeptisch, ob die Umsetzung realistisch ist. Denn zunächst einmal müssen Versicherungskonzerne überhaupt zur Zusammenarbeit bereit sein und damit ihr Konkurrenzdenken zumindest teilweise bei Seite legen. Auch wenn es in einigen Bereichen bereits erfolgreiche Zusammenarbeitsmodelle gibt, z.B. bei gemeinsamen Werkstattnetzen, ist die Hürde bei digitalen Geschäftsmodellen größer, da der Kern des Versicherungsgeschäfts betroffen ist.
Und selbst wenn der politische Wille zur Kooperation vorhanden ist, müssen erst einmal die technischen und prozessualen Voraussetzungen gegeben sein, dass Versicherungen gemeinsam Prozesse und Big Data betreiben können. So sind viele Versicherungen derzeit nicht einmal in der Lage, in ihrem eigenen Haus spartenübergreifend Daten zusammenzuführen und zu analysieren. Eine Kooperation mit anderen Versicherungen ist hier noch relativ weit weg, auch wenn der Branchenstandard BiPRO die Standardisierung der Daten und Prozesse vorantreibt.
Die offene Plattform der Allianz ist sicher ein interessanter Ansatz für die Umsetzung des Plattform-Gedankens, aber faktisch handelt es sich nicht um eine echte Open-Source-Community, weil die Allianz wesentlichen Einfluss behält. Das skizzierte Szenario der Bedrohung durch Digitalkonzerne ist daher aus Allianz-Sicht sicher auch nicht ganz uneigennützig, da Deutschlands größter Versicherungskonzern davon profitiert, wenn es für seine Plattform mehr Lizenznehmer gibt.
Die Frage ist nämlich, ob die großen Digitalkonzerne überhaupt als Versicherer mit eigener Lizenz am Markt auftreten und sich damit einer umfangreichen Regulatorik unterwerfen wollen oder ob sie sich nicht lieber auf eine reine Maklerrolle beschränken. Aber selbst diese Aussicht stellt sicher eine Herausforderung für Versicherer dar.
Und schließlich noch eine Einschätzung zur prognostizierten Stelleneinsparung durch die Digitalisierung: Der Prozess der Standardisierung und Automatisierung ist bei Versicherungen bereits seit Langem in Gang, nochmals verstärkt seit 10 bis 15 Jahren. Da Versicherer weiterhin Nachholbedarf bei der Digitalisierung haben, ist mit der Realisierung weiterer Effizienzeffekte bei den klassischen Versicherungsprozessen zu rechnen. Es entstehen zwar neue Aufgaben z.B. in den Bereichen IT, Partnermanagement und Assistance-Leistungen, aber diese werden in der Tat in der Anzahl den Abbau nicht kompensieren. Ein Reduktion auf 10 Prozent der derzeitigen Kapazitäten halte ich aber nicht für realistisch.
Originallink aufrufen