Viele Unternehmen haben die alten Zwei- oder Vier-Personen-Büros durch Open-Office-Konzepte ersetzt, selbst Führungskräfte müssen ihre Einzelzimmer-Privilegien aufgeben. Facility Manager erhoffen sich dadurch Einsparungen bei der Bürofläche, zudem soll durch moderne Collaboration-Tools die Zusammenarbeit verbessert und damit die Effizienz gesteigert werden. Tatsächlich führen die neuen Arbeitsplätze aber oftmals zu weniger statt mehr Interaktion, berichten Ethan Bernstein und Ben Waber im Harvard Business Review.
Eigentlich könne man meinen, dass es nie einfacher war, zusammenzuarbeiten. Offene, flexible Arbeitsplätze und Tools zur Förderung der Zusammenarbeit, wie Slack und Teams verbessern die Vernetzung der Teams und steigern die Effizienz. Faktisch fördere Open Office aber Verhaltensweisen, die der ursprünglichen Idee entgegenstehen und die Interaktion zwischen den Beteiligten reduziere bzw. bedeutungslosere Kommunikation fördere.
Zum Beispiel würden Collaboration Tools das Antwortverhalten verschlechtern, da digitale Nachrichten leichter ignoriert werden können. Zudem würden sie die direkte persönliche Kommunikation um bis zu 70 Prozent reduzieren, während im Gegenzug die elektronische Kommunikation ansteige. Grund dafür sei, dass die Hemmung, jemanden anzusprechen, steige, wenn die Anzahl der Personen im Raum größer ist.
Je nach Architektur des Zusammenarbeitsmodells würden sich weitere Effekte auf die Kommunikation ergeben. So sei die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Kollegen persönlich miteinander sprechen, direkt proportional zur Entfernung ihrer Tische. Dies würde nahelegen, dass physische Nähe die Zusammenarbeit verbessere. Tatsächlich könne die Effizienz aber sinken, wenn Menschen zu nahe beieinandersitzen, da sie ggf. zu häufig in ihrer Arbeit gestört würden und jede Ablenkung Kosten verursache. Zusätzliche Möglichkeiten der Collaboration könnten daher ggf. sogar die Kosten erhöhen ohne einen entsprechenden Mehrwert zu schaffen. Einen ähnlichen Effekt könne es geben, wenn Teams untereinander häufiger kommunizieren als die Personen in ihren Teams selbst kommunizieren.
“It turned out that managers were not only communication bottlenecks but also gatekeepers of quality.”
Zu viel direkte Kommunikation könne auch den Effekt haben, dass Manager ihre Qualitätsmanagement-Funktion nicht mehr wahrnehmen können, weil ihre Gatekeeper-Rolle entfalle.
Letztendlich könne man das ideale Open-Office-Setting also nur mit Hilfe von Experimenten finden. Hierbei würde anhand von Tracking-Mechanismen das Verhalten der Mitarbeiter aufgezeichnet und die Dynamiken in den Teams analysiert. Während im Marketing zum Beispiel eine A/B-Testing Gang und Gäbe sei, würden entsprechende Verfahren bei Collaboration-Themen bislang aber kaum angewendet.
Wenn solche Analysen durchgeführt werden sollten, müssten allerdings die gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Länder hinsichtlich Datenschutz eingehalten werden. Zudem gäbe es ggf. ethische Bedenken. Ergänzend zu architekturellen Maßnahmen sei klassisches Teambuilding geeignet, um die Zusammenarbeit der Mitarbeiter zu verbessern.
Ich finde die gewonnenen Erkenntnisse sowie die Idee zur Durchführung von Tests mit verschiedenen Settings und der Messung der entsprechenden Produktivität interessant, glaube allerdings, dass solche Experimente in den meisten Unternehmen nicht durchführbar sind. Ein Grund hierfür ist, dass sich die Team-Zusammenstellungen oftmals ändern, und wenn die Teams stabil bleiben, ändern sich die zu bearbeitenden Aufgaben. So kann zum Beispiel in einer Konzeptionsphase ein hohes Maß an Interaktion zwischen Teams nötig sein, während in der anschließenden Implementierungsphase eines IT-Projekts die Effizienz der Teams steigt, wenn sie möglichst ungestört ihre Aufgaben abarbeiten können.
Auch ist es in Deutschland aus arbeitsrechtlichen Gründen schwierig, das Verhalten der Mitarbeiter zu tracken, so dass die Durchführung der vorgeschlagenen experimentellen Settings gar nicht möglich ist. Dennoch lassen sich vielleicht allgemeingültige Erkenntnisse aus den genannten Untersuchungen im Rahmen der Konzeption von Open Offices berücksichtigen. In jedem Fall hilft die Durchführung von Teambuilding-Maßnahmen, die Kommunikation zu verbessern – für diese Erkenntnis braucht man allerdings keine experimentellen Untersuchungen.
Originallink aufrufen