Nicht einmal jeder vierte Konsument in Deutschland hat ein großes Vertrauen in die Versicherungsbranche. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Markenstudie. Versicherungen liegen damit unter 19 vorgegebenen Branchen auf dem vorletzten Platz, berichtet Björn Wichert im Versicherungsjournal.
Für die repräsentative Studie des Magazins Reader‘s Digest seien im Dezember 2019 4.000 Konsumenten nach ihren Branchenvertrauen befragt worden. Ein Vertrauen von 100 Prozent oder zu 75 Prozent („hohes Vertrauen“) in Versicherungen hätten nur 23 Prozent der Konsumenten. Schlechtere Vertrauenswerte hätte nur der Wirtschaftszweig „Nahrungsergänzungs-Mittel/ Vitaminprodukte“. Die fünf Top-Branchen hätten im Vergleich dagegen Vertrauenswerte von 54 bis 64 Prozent. Nur jeder 25stige Befragte vertraue der Versicherungsbranche zu 100 Prozent, das sei sogar das schlechteste Ergebnis aller Branchen.
„Eine nicht repräsentative Kurzumfrage des VersicherungsJournals hat im vergangenen Frühjahr gezeigt, dass etwas über die Hälfte der 995 Umfrageteilnehmer ihren Kindern bei der Berufswahl keine Tätigkeit in der Assekuranz nahe legen würde.“
Die schlechte Platzierung überrasche den Autor aber nicht, da bei ähnlichen Befragungen Versicherungen durchgehend entsprechend abschnitten. So würden laut einer Umfrage des Versicherungsjournals auch nur die Hälfte die Teilnehmer ihren Kindern empfehlen, einen Arbeitsplatz in der Versicherungsbranche zu übernehmen, wobei der Außendienst einen besonders schlechten Ruf habe.
In der selben Umfrage wurden die Teilnehmer zusätzlich gebeten, eine Versicherung zu benennen, die ihnen besonders vertrauenswürdig sei. Hierbei würden die Allianz und die HUC-Coburg mit 19,4 bzw. 18,4 Prozent herausragen, während alle andere Versicherungen jeweils maximal 4,9 Prozent der Nennungen verzeichnen konnten.
Wichtig für das Markenvertrauen seien für die Konsumenten die Leistungsdimensionen Qualität, Preis-Leistungs-Verhältnis und dass die Produkte und Services die Kundenerwartungen und -bedürfnisse entsprächen.
Ich stelle mir die Frage, ob das schlechte Image von Versicherungen am Geschäftsmodell liegt, also sozusagen branchenimmanent und damit schwer veränderbar ist, oder ob es selbstverschuldet ist. Wahrscheinlich trifft beides zu.
Das Geschäftsmodell in der bestehenden Form ist grundsätzlich undankbar. Ein Kunde zahlt seine Prämie dafür, ein Risiko abzusichern. Wenn das Risiko nicht eintritt, ärgert sich der Kunde, dass er vermeintlich unnötig Geld gezahlt hat. Wenn es aber eintritt, ist damit auch das Negativ-Erlebnis des Schadens verbunden, selbst wenn der Versicherer hilfsbereit und kulant reagiert. Die einzige Chance, dieses Dilemma aufzulösen, ist eine Veränderung bzw. Erweiterung des Geschäftsmodells. Durch die Digitalisierung ergibt sich für Versicherungsunternehmen nun tatsächlich diese Möglichkeit, und zwar indem sie sich vom Schadenregulierer zum Schadenvermeider entwickeln. Denn wenn sich Kunden zukünftig mehr geschützt statt nur versichert fühlen und Schäden im Vorfeld vermieden werden, könnten dies das Vertrauen in Versicherungen verbessern.
Aber auch im bestehenden Geschäftsmodell gibt es Optimierungsmöglichkeiten. Die Versicherungsbranche gilt – auch aus Arbeitnehmersicht – generell als wenig sexy, auch weil die Branche wenig digitale Prozesse aufweist und aus Kundenperspektive umständliche Prozesse aufweist. Hier ließe sich mit einer Verbesserung der Customer Journey bzw. Customer Experience eine Verbesserung der Außenwirkung erzielen, sowohl in Richtung Kunden als auch potenzielle Arbeitnehmer.
Ein weiteres strukturelles Problem ist der Vertrieb von Versicherungsprodukten über Versicherungsvermittler. Sicher berät die überwiegende Anzahl der Vermittler ihre Kunden seriös und ist weit davon entfernt, den Kunden Policen „aufzuschwatzen“. Dennoch gibt es insbesondere unter den Maklern zahlreiche schwarze Schafe, die eher an die Optimierung ihrer Provisionen als an das wohl des Kunden denken und einen aggressiven Verkaufsstil aufweisen. Es ist zwar tatsächlich so, dass Versicherungsprodukte oftmals im Push-Modus verkauft werden müssen, da viele Kunden sich nicht aktiv um ihre Absicherung kümmern. Aber letztendlich „spielt der Ton die Musik“, und hier haben Versicherungen zumindest über die Auswahl der Kandidaten und das Verhalten ihrer Vertreter Einflussmöglichkeiten. Letztendlich wird aber auch die Zunahme des Vertriebs über digitale Kanäle und entsprechend weg vom personenbezogenen Vertrieb – zumindest für einfache Versicherungsprodukte – das Problem unangenehmer Versicherungsvermittler sukzessive reduzieren.
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