Zumindest in der Kommunikation sind Versicherungsunternehmen bei der Digitalisierung ganz vorne mit dabei. In Pressemitteilungen sprechen Versicherer von „Smart-Insurance-Offensiven“ oder schlanken digitalen Lösungen, die entwickelt wurden. Aus Sicht der Vermittler und Makler sieht die Lage aber anders aus: Sie beklagen sich über mangelnden Fortschritt.
„Denn von den kontinuierlich publizierten Heldentaten der Versicherungswirtschaft in punkto Digitalisierung kommt bei der Vermittlerschaft nur wenig an.“
Dies berichtet Meris Neininger von einer Veranstaltung des „Versicherungsmagazins“ in Wiesbaden, auf der die Vermittler von zahlreichen operativen Problemen mit den Versicherern erzählen. So seien z.B. digitale Unterschriften nicht verfügbar oder digitale Postfächer würden nicht funktionieren.
Einerseits teile ich die Meinung des Autors bzw. der Teilnehmer der Vermittler-Veranstaltung, dass Versicherer Digitalisierung nicht so intensiv betreiben wie sie behaupten. Das liegt häufig auch daran, dass Versicherer erst einmal ihre klassischen Prozesse im Bereich Antrag, Vertrag und Schaden/Leistung digitalisieren müssen. Konsequenterweise muss meist erst die IT-Anwendungslandschaft erneuert sowie das Betriebsmodell verschlankt werden, was viel Zeit und Geld benötigt. Erst im Anschluss können Versicherer über echte digitale Innovationen nachdenken.
Andererseits finde ich es überraschend, dass Vermittler und Makler über geringe Fortschritte in der Digitalisierung klagen, denn gerade der Außendienst hat jahrelang digitale Ansätze in der Kundenkommunikation blockiert. So haben zum Beispiel die mächtigen Vertriebsorganisationen der Versicherer alles versucht, um den Vertrieb über digitale Kanäle wie Vergleichsportale, Apps oder Homepage klein zu halten, auch mit dem Argument, dass die margenträchtigen Premium-Tarife durch Vermittler verkauft werden.
Insofern passt es, dass sich die Beschwerden der Vermittlerschaft eher auf die Optimierung ihrer eigenen Kommunikationsprozesse mit dem Versicherer oder die mangelnde Flexibilität der Versicherungsprodukte beziehen. Dabei sind durch die Einführung des BiPRO-Standards bereits umfangreiche Prozessverbesserungen beschlossen worden, die auch den Maklern und Vermittlern ihre Arbeit erleichtern bzw. erleichtern werden.
Dass aus Sicht des Vertriebs ausgerechnet InsurTechs die Lösung für die stockende Digitalisierung der Versicherer sind, sehe ich skeptisch. Bisher sind InsurTechs eher als Vermittler aufgetreten und stehen daher in Konkurrenz zum klassischen Vertrieb.
Aber vielleicht bringt ja bald ein InsurTech mit Versicherungs-Volllizenz innovative Produkte wie die im Artikel genannte Versicherungspolice für Wohngemeinschaften auf den Markt. Dann können Vermittler und Makler überlegen, ob sie zukünftig auch Vertrieb für InsurTechs machen. Dass diese höhere Provisionen als die klassischen Versicherer zahlen, ist allerdings nicht zu erwarten.
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