Versicherungen sind generell nicht als Vorreiter der Digitalisierung bekannt, dies zeigt sich auch im Bereich Customer Experience (CX). Dabei ist erwiesen, dass eine größere Schnelligkeit und insbesondere einfachere Erfassung von erforderlichen Daten die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es im Rahmen einer Beratung zum Abschluss kommt. Ähnlich verhält es sich beim Schadenmanagement, wo kundenfreundliche Formulare oder die Möglichkeit, Fotos des Schadens in einer App hochzuladen, die Kundenzufriedenheit steigern, meint Howard Schulman in der Online Community CustomerThink.
Ein erster und wichtiger Ansatzpunkt zur Verbesserung der Customer Experience ist daher die Vermeidung von Papierdokumenten, da das handschriftliche Ausfüllen und spätere Auslesen von gedruckten Formularen fehleranfällig und ineffizient ist. Jeder Fehler führe zu Frustration beim Kunden, z.B. wenn er unnötige Rückfragen beantworten muss. Die Verwendung von PDF-Dokumenten ist ein geeigneter Zwischenschritt, aber das Ziel muss der Einsatz von rein elektronischen Formularen sein. Ein weiterer Baustein der Paperless-Strategie ist laut Autor die Verwendung von elektronischen Unterschriften. Hier müssen natürlich die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.
“Insurers should look for an instant, integrated processes (sic) that enable claimants to complete claims on the first try, reducing NIGO [not-in-good-order].”
Wenn das Versicherungsunternehmen in der Umsetzung von eFormularen noch nicht so weit vorangeschritten ist, aber ggf. auch als ergänzende Maßnahme, könne ein Call-Center-Sachbearbeiter den Kunden beim Ausfüllen und Bearbeiten der Formulare unterstützen. Dazu müsste der Sachbearbeiter natürlich auf alle erforderlichen Dokumente und Konversationen zugreifen können.
Und hier beginnt aus meiner Sicht bereits ein Teil der Komplexität des Vorhabens. Denn in der Regel kommuniziert ein Versicherungskunde nicht mehr ausschließlich nur über einen Kanal, z.B. den Versicherungsvertreter, sondern nutzt weitere Kanäle wie Internet oder Call Center. Daher reicht es nicht, die Customer Journey entlang einzelner Kanäle zu optimieren. Stattdessen muss der Versicherer alle Voraussetzungen für eine Multikanal-Kommunikation erfüllen und den Austausch von Kundeninformationen über alle Kanäle sowie einen reibungslosen Wechsel der Kommunikation über diese sicherstellen.
Ein möglicher methodischer Ansatz für ein Customer Journey Re-Design ist die Durchführung von Design-Thinking-Workshops. Damit solche Workshop-Reihen brauchbare Ergebnisse erzeugen, ist es wichtig, alle beteiligten Unternehmenseinheiten einzubeziehen – von Marketing, Vertrieb bis hin zum Schadenmanagement –, und insbesondere auch die Meinung des Kunden einzuholen.
Der Artikel beschränkt sich auf die Optimierung der Customer Experience entlang der klassischen Geschäftsvorfälle eines Versicherers. Dabei kann in Design-Thinking-Workshops auch herauskommen, dass nicht nur der Prozess optimiert, sondern auch, dass das Produkt angepasst werden muss. Denn es kann sein, dass das Produkt selbst zu komplex ist und vereinfacht oder modularisiert werden muss, um die Customer Experience nachhaltig zu verbessern.
Die Frage der Customer Experience wird für Versicherer zukünftig ohnehin noch komplexer, da sich Versicherer zunehmend in digitalen Ökosystemen bewegen. Wenn Versicherungsunternehmen wie etwa Smart-Home-Hausratversicherungen anbieten, müssen Kooperationspartner einbezogen werden, wie die Hersteller von Smart-Home-Devices oder Assistance-Dienstleister. Wenn der Versicherer den von ihm zu verantwortenden Teil der Customer Experience optimiert, die Partnerunternehmen aber nicht einbezieht, sind schnell alle Bemühungen des Versicherers hinfällig.
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