Die Allianz versucht, durch einen Teilverkauf ihrer Software-Tochter Syncier weitere Technologie-Partner an Bord zu holen, um die technologische Basis der angebotenen Cloud-Lösung zu verbessern und leichter weitere Versicherer als Kunden zu gewinnen, berichten Christian Herz und Christian Schnell im Handelsblatt.
Seit Ende 2019 kooperierten das Allianz-Tochterunternehmen Syncier und Microsoft. Ziel sei es, Versicherungs-Services auf Basis des ABS („Allianz Business System“) in der Cloud anderen Versicherungsunternehmen anzubieten.
Die Allianz habe nun den Plan, Minderheitseigner an Syncier werden, indem Teile an weitere Beteiligte verkauft werden. Es gäbe auch bereits Interessenten aus dem Bereich der Technologieunternehmen. Das Kalkül sei, dass so einfacher Kunden gewonnen werden könnten.
„Die Allianz bietet das ABS-System als Open-Source-Lösung anderen Unternehmen an und möchte auf diesem Wege eine Standardsoftware etablieren.“
Das ABS-System würde dabei als Open-Source-Lösung angeboten. Bislang gebe es sechs Syncier-Kunden, die sich davon versprechen würden, dass durch den Einsatz von Standard-Software Kosten gesenkt werden könnten. Andere Versicherer würden aber zögern, weil sie nicht mit dem Konkurrenten Allianz kooperieren wollen. Wenn die Allianz lediglich eine Minderheitsbeteiligung hätte, wäre dieses Hindernis behoben.
Im Rahmen des Kooperationsmodells würde sichergestellt, dass keiner der Beteiligten Zugriff auf die jeweiligen Kunden- und Policendaten habe. Die Software gelte – wie bei anderen Versicherern – aber teilweise als veraltet, was auch bereits zu Systemausfällen geführt habe. Die Corona-Krise hätte insgesamt gezeigt, dass digitalorientierte Versicherer zukunftsfähiger aufgestellt seien, unter anderem weil die Kunden vermehrt digitale Kanäle nutzen würden. Syncier hoffe, von dem Trend zu profitieren, indem andere Versicherer nun ihre Digitalisierung vorantreiben.
Ich halte den Ansatz, dass Versicherer standardisierte Versicherungs-Services über die Cloud beziehen, grundsätzlich für eine interessante Alternative zur Einführung von klassischer Versicherungs-Standardsoftware vom Markt. Die Fragestellung betrifft viele Versicherer, die derzeit vor der Herausforderung stehen, ihre Legacy-Bestands- und Schadenmanagementsoftware abzulösen.
Die Hürde ist allerdings, dass die Versicherer dann angebotenen standardisierten Prozesse und Produktmaschinen weitgehend übernehmen müssten. In der Vergangenheit taten sich die meisten Versicherungsunternehmen damit sehr schwer, weil sie ihren USP auch in den Prozessen und speziellen Produkten vermuteten. Hier hat aber ein Umdenken stattgefunden.
Zudem ist die Frage, wie standardisiert die vom Dienstleister angebotenen Services tatsächlich sind und zum Beispiel BiPRO-Standards konsequent umsetzen. Sobald der Dienstleister einräumt, dass für neue Kunden eigene Instanzen der Anwendung geschaffen und betrieben werden, besteht das Risiko, dass die Lösung für Kunden so modifiziert wird, dass kaum noch Synergieeffekte bestehen. Dies ließe sich mit einem reinen Insurance-as-a-Service-Ansatz vermeiden.
Neben der Abbildung von standardisierten Versicherungs-Geschäftsvorfällen lässt sich auf einer IaaS-Basis auch der Plattform-Gedanke ausbauen wie von Syncier geplant. So können im Ökosystem weitere Dienstleister zum Beispiel mit zusätzlichen Services „aufspringen“ und so die Attraktivität der IaaS-Lösung zusätzlich erhöhen.
Das ABS-System gilt in der Branche allerdings nicht unbedingt als das Bestandsführungssystem mit der modernsten Architektur, insofern ist die Beteiligung weiterer Technologie-Unternehmen sicher richtig – auch wenn die meisten anderen Standard-Software-Lösungen der Syncier-Konkurrenz sicher ebenfalls nicht konsequent eine moderne, serviceorientierte Architektur umgesetzt haben. Zudem scheuen weiterhin viele Versicherungsunternehmen die Nähe zur Allianz, weil sie sich nicht in eine Abhängigkeit zum übermächtigen Konkurrenten begeben wollen. Ob eine Minderheitsbeteiligung der Allianz hier viel helfen wird, ist fraglich. Insofern wird es für Syncier weiterhin eine Herausforderung werden, Kunden zu finden, zumal inzwischen auch andere Dienstleister entsprechende IaaS-Lösungen anbieten.
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