Haben Sie vor Abschluss Ihrer letzten Versicherungspolice den Vertragstext durchgelesen? Vermutlich nicht. Mögliche Gründe könnten gewesen sein, dass Sie von der Länge des Vertragstextes abgeschreckt waren oder die Inhalte Ihnen zu kompliziert schienen. Schlecht nachvollziehbare Versicherungsverträge passen aber nicht zum kundenzentrierten Ansatz, dem sich die meisten Versicherer inzwischen verschrieben haben.
Das Problem ist nicht neu, aber bisher hat sich noch kein Versicherer ernsthaft daran versucht, einfache Vertragstexte zu formulieren. Der Digitalversicherer Lemonade will das nun ändern und hat bis 2019 die Erstellung vereinfachter Vertragsbedingungen angekündigt. Dies berichtet Jordan Crook in seinem Artikel im Blog techcrunch.com.
„For a company that wants to make buying insurance as easy and as consumer-centric as possible, the very product they sell is in complete opposition to that”
Kern der Idee des amerikanischen Versicherers ist es, Juristensprech zu vermeiden und stattdessen einfache, verständliche Sprache zu verwenden. Wenn dies gelänge, wäre dem Kunden deutlich transparenter, welche Schäden durch die Police abgedeckt sind und welche nicht. Positiver Nebeneffekt ist, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Versicherung gestärkt wird, weil der Kunde nicht den Eindruck hat, über den Tisch gezogen zu werden.
Aus meiner Sicht ist der Ansatz richtig, auch wenn das Vorhaben sicher nicht einfach ist. Denn wie im Artikel richtig angemerkt, müssen regulatorische Vorgaben eingehalten werden, außerdem muss der Vertragstext trotz einfacher Sprache juristische Mehrdeutigkeiten vermeiden. Ausufernde Prozesse mit dem Kunden aufgrund unklarer Vertragslage würden sowohl erreichte Prozessoptimierungen als auch das verbesserte Kundenverhältnis schnell zunichtemachen.
Dass Versicherer einfachere Policen verfassen können, haben sie in der Vergangenheit durchaus schon bewiesen. Zum Beispiel gelang es, die Vertragstexte von Bündelprodukten wie einer Familienversicherung aus Haftpflicht-, Hausrat- und Unfallversicherung deutlich kürzer zu gestalten als die Summe der Vertragstexte der Einzelverträge. Wirklich kundenfreundlich und verständlich sind solche Versicherungsverträge damit natürlich immer noch nicht.
Insofern können wir gespannt auf den Vorschlag von Lemonade warten, der nach eigenen Angaben Open Source veröffentlicht und auch von anderen Versicherern über eine GNU Public License genutzt werden kann.
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