Der schnell wachsende Kundenstamm seiner Agentur hat einen Versicherungsvertreter einer großen internationalen Versicherung gezwungen, effizienter zu werden. Er hat sich daher entschieden, die Digitalisierung voranzutreiben und alle Prozesse sowie die Kommunikation mit den Kunden elektronisch durchzuführen. Der Versand von Papierpost wird dadurch auf ein Minimum reduziert, dokumentiert Susanne Görsdorf-Kegel in ihrem Interview im Blog VersicherungsPraxis24.de.
Seit der Umstellung auf digitale Prozesse kommunizieren die Vermittler der Agentur auch über Email und WhatsApp und passen sich dadurch den Kommunikationskanälen ihrer Kunden an. Effizienz gewinnt der Vertreter zudem durch die Nutzung von Videoberatung, denn dadurch lassen sich Hin- und Rückfahrten zum Kunden vermeiden. Möchte sich der Kunde dennoch persönlich vor Ort beraten lassen, werden nach Möglichkeit Termine in der Agentur vereinbart.
„Ich habe ein neues Agenturmodell entwickelt, die Duplex-Agentur, also praktisch zwei Agenturen in einer, eine Online- und eine Offline-Agentur.“
Aus Sicht des interviewten Versicherungsvertreters liegt das Vertriebsmodell der Zukunft daher in einer Duplex-Agentur, bei der sich der Kunde sowohl online als auch offline beraten lassen und Verträge abschließen kann. Alle Kunden erhalten aber einen gleichwertigen After-Sales-Service.
Ich finde, dass der Artikel sehr gut den Bedarf der Agenturen nach einer Beschleunigung der Digitalisierung zeigt, um damit den geänderten Kommunikationsbedürfnissen der Kunden gerecht zu werden und die Effizienz zu erhöhen. Bezeichnenderweise kann der Vertreter nur bedingt auf die Unterstützung des Versicherers hoffen, wie sich an den noch teilweise fehlenden elektronischen Anbindungen der Prozesse an das Backoffice zeigt. Hier muss End-to-end-Digitalisierung für einige Geschäftsvorfälle noch simuliert werden.
Außerdem nutzt die Agentur ein externes Tool für das Management der Kundenkontakte, weil offensichtlich vom Versicherer bereitgestellte Funktionalitäten nicht ausreichen. Auf den ersten Blick ist das Vorgehen des Vertreters sicher als pragmatisch anzusehen. Für den Versicherer ist das unabgestimmte Ausprobieren neuer Lösungen durch einzelne Agenturen aber eine Herausforderung, denn vor dem Hintergrund von Big Data muss er daran interessiert sein, zentralen Zugriff auf Kundendaten zu haben. Wenn Agenturen unterschiedliche CRM-Tools verwenden, wird das Zusammenführen von Daten im Nachgang umso schwieriger, ebenso die Vereinheitlichung von Prozessen. Die Versicherer müssen auf die digitalen Kommunikationsbedürfnisse der Agenturen also schneller reagieren, um nachträglich schwer einzufangende Workarounds zu vermeiden.
Interessant finde ich die Hypothese des Interviewten, dass die geringere Anzahl an Vermittlern am fehlenden Nachwuchs und der demografischen Entwicklung liegt. Ich denke vielmehr, dass steigende Verkaufszahlen insbesondere einfacher Versicherungsprodukte über Vergleichsportale und andere digitale Kanälen den Bedarf an Vermittlern weiter sinken lässt und sich Vertreter und Makler nur dann halten können, wenn sie in der Lage sind, Kunden zu komplexen Produkten zu beraten. Insofern überrascht mich die kritische Meinung des interviewten Versicherungsvertreters über InsurTechs nicht, denn sie sind für den digitalen Vermittler sicher eine direkte Konkurrenz.
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