Die Digitalisierung der Customer Journey von Versicherungen weist weiterhin Lücken auf. Beispielsweise ist der Prozess zum Abschluss eines Vertrags bei vielen Versicherern nicht durchgängig digital. Stattdessen ist die Nutzung klassischer Briefpost weiterhin verbreitet, berichtet Jörg Leichsenring im Banking Blog und bezieht sich dabei auf die Ergebnisse einer Studie einer Digitalagentur zu 18 deutschen und Schweizer Versicherungsunternehmen.
Die Versicherungsbranche habe die digitale Transformation zwar angestoßen, die Optimierung der Customer Journey sei aber noch nicht abgeschlossen. Dies ergebe die Auswertung der subjektiv wahrgenommenen Kundenerlebnisse anhand von Geschäftsvorfälle rund um das Produkt Haftpflichtversicherung, die eine Digitalagentur durchgeführt hat.
„Vertragsdokumente nach Abschluss per Post zu erhalten, ist hier noch gang und gäbe.“
Ein Kernergebnis der Customer Journey sei, dass auch bei einfachen Versicherungsprodukten ein „Scheindigitaler Online-Abschluss“ vorgenommen werde. So erhielten die Kunden die Police auch beim Online-Abschluss mit deutlicher zeitlicher Verzögerung über die klassische Post.
Zudem würde dem Kunden bei Self-Service-Prozessen wenig Hilfestellung gegeben. Bei einer Kontaktanfrage zu Ansprechpartnern würde die Reaktionszeit zweieinhalb Tage betragen. Weiterhin würden bei der Zahlung oftmals Medienbrüche entstehen, da direkte, unmittelbare Zahlungsmethode wie Kreditkarte oder Paypal nicht angeboten werden. Die meisten Versicherer stellten zwar Kundenportale bereit, diese böten aber nur wenig Funktionalität. Und schließlich würde nur ein Drittel der Versicherer ihren Bestandskunden einen persönlichen Ansprechpartner zur Verfügung stellen.
Seit Durchführung der letzten Studie aus dem Jahr 2017 hätte sich demnach wenig Veränderung ergeben. Ein Ansatz zur Verbesserung sei für Versicherer der Einsatz verschiedener Kanäle und die Integration und Digitalisierung von Prozessen, wobei Durchgängigkeit der Prozesse wichtiger sei als die Digitalisierung an sich.
Die Ergebnisse der Studie zeigen aus meiner Sicht gut einige Schwachstellen der Versicherungen in der Customer Experience. Dass weiterhin Medienbrüche in der Customer Journey bestehen, liegt aber auch daran, dass zwar einzelne Prozessschritte digitalisiert werden, dabei aber nicht der gesamte End-to-End-Prozess vom Produktdesign bis zum Schadenmanagement in den Blick genommen wird. Dabei hat bereits das Vertragswerk einer Police signifikanten Einfluss auf die zum Produkt gehörigen GeVos. Nur mit einer ganzheitlichen Betrachtung, die auch Datenmodelle, IT-Anwendungen und die gesamte Prozesslandkarte einbezieht, wird sich eine durchgängig digitale Customer Journey umsetzen lassen. So kann anders herum gesehen die Optimierung der Customer Journey auch zu einem Treiber der Digitalisierung insgesamt werden.
Ähnlich ist die Situation im Bereich Kundenportale. Viele Versicherungen bieten hier dem Kunden lediglich eine Insellösung mit einigen Funktionalitäten der Vertragsverwaltung und wundern sich dann, warum Kundenportale so gut wie nicht genutzt werden. Dabei könnte zusätzlicher Customer Self Service dem Versicherer helfen, Kosten zu sparen.
Einige Versicherer versuchen vermehrt, einen festen Ansprechpartner für Kunden festzulegen und die Interkationen im Wesentlichen über diesen Ansprechpartner laufen zu lassen. In Sinne der Kundenbindung ist dies eine sinnvolle Maßnahme, die sich durch moderne ACD-Anlagen und Workload-Steuerung im Kundenservice inzwischen einfacher realisieren lässt. Dennoch darf dies nicht zu merklichen Effizienzverlusten im Vergleich zu klassischen Verfahren mit einem 1st-Level-Support und dann ggf. Weiterleitung an einen (beliebigen) spezialisierten Sachbearbeiter führen.
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