Deutschland hat grundsätzlich gute Voraussetzungen für eine weltweite Top-Positionierung in der Digitalisierung, schöpft derzeit seine Potenziale aber nicht aus. Bezug nehmend auf den elften Platz Deutschlands im Index der EU-Kommission für Digitale Wirtschaft fordert der Wirtschaftsinformatik-Professor Tobias Kollmann im Manager Magazin daher eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Digitalisierung durch eine neue Bundesregierung.
Ein Schlüssel ist hierzu die Etablierung eines Digitalministeriums, da eine Behandlung der Digitalisierung im Querschnitt aller Ministerien der Bedeutung nicht gerecht wird. Konkrete Forderungen des Autors sind:
- Digitalisierung und Entrepreneurship muss im Rahmen der schulischen Ausbildung vermittelt und in Fortbildungsprogrammen vertieft werden.
- Programme zur Digitalisierung des Mittelstands sowie des Handwerks müssen aufgesetzt werden.
- Ein Förderprogramm für Künstliche Intelligenz soll etabliert werden.
- Ein Einwanderungsprozess für Fachkräfte und Gründer im Bereich Digitalisierung soll etabliert werden.
- Für Start-ups soll Wagniskapital bereitgestellt und Kapitalanlagerestriktionen beseitigt werden.
- Das Telekommunikationsnetz soll auf Gigabit-Bandbreite ausgebaut werden.
- Es sollen einheitliche Standards für das Internet der Dinge (IoT) entwickelt werden.
- Rechtliche Rahmenbedingungen für Datennutzung und Datentransfer müssen festgelegt werden.
„Wir brauchen endlich eine eigene ordnungspolitische Vision für das digitale Zeitalter, statt den Facebooks, Googles und Amazons nur zuzuschauen.“
Im Kern unterstütze ich diese Forderungen, allerdings können bzw. sollen nach meinem Verständnis nicht alle Punkte von einer neuen Bundesregierung angegangen werden. Zum Beispiel ist die schulische Ausbildung keine Aufgabe der Bundesregierung, da Bildung in der Hoheit der Bundesländer liegt.
Die Forderung nach mehr Entrepreneurship ist aus dem Blickwinkel des BWL-Professors verständlich, hat allerdings nichts mit Digitalisierung zu tun. Dass auch hier Nachholbedarf besteht, ist aber unbenommen.
In dieselbe Richtung geht der Vorschlag, kreative Köpfe und Gründer aus dem Ausland zu holen. Allerdings müssen dafür die Rahmenbedingungen für Start-ups insgesamt verbessert werden. Ein einfacherer Einwanderungsprozess alleine wird die Attraktivität nicht erhöhen. Ergänzend müssen auch andere Verwaltungsprozesse schneller und umfassender digitalisiert werden.
Für richtig halte ich auch eine Digitalisierungsinitiative für den Mittelstand, wenngleich diese insbesondere kleinere Mittelständler unterstützen sollte. Diese haben den stärksten Aufholbedarf bei der Digitalisierung, während die großen Player bereits Digitalisierungsprogramme aus eigener Kraft vorantreiben.
Die wichtigste Forderung von Herrn Kollmann ist die Festlegung einheitlicher Standards für IoT bzw. Industrie 4.0. Hier gibt es aktuell konkurrierende Initiativen verschiedener deutscher Unternehmen. Ein gemeinsames Vorgehen würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken, eventuell könnten sich einheitliche deutsche IoT-Standards sogar weltweit etablieren. Der Gesetzgeber muss hier aber vorsichtig vorgehen, um marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht zu gefährden.
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