Fast alle großen Versicherer haben umfangreiche Programme zum Stellenabbau angekündigt bzw. reduzieren bereits seit Jahren sukzessive die Anzahl ihrer Mitarbeiter. Matthias Kamp von der Wirtschaftswoche verweist auf Studien, nach denen 30 bis 40 Prozent der Arbeitsplätze in der deutschen Versicherungsbranche in den kommenden Jahren wegfallen werden. Schwerpunktmäßig sind nach Ansicht des Autors zwei Bereiche der Wertschöpfungskette am meisten betroffen: Der Vertrieb sowie der Versicherungsbetrieb.
„Vor allem einfache Produkte wie Hausrat- und Kfz-Versicherungen werden die Kunden in Zukunft online abschließen.“
Herausforderung im Vertrieb ist vor allem, dass insbesondere einfache Produkte inzwischen hoch standardisiert und daher leicht im Internet vergleichbar sind. Online-Vergleichsportale werden daher weiter an Bedeutung gewinnen, und auch die Möglichkeiten zum Online-Abschluss haben sich inzwischen deutlich verbesset. Ergänzend kommt hinzu, dass vermehrt InsurTechs Akzeptanz finden, die kontinuierlich das Versicherungsportfolio eines Kunden mit Produkten am Markt vergleichen und mit Robo-Advice-Technik aktiv Veränderungen vorschlagen.
Vermittler müssen sich daher vom Policen-Verkäufer zum Finanz- und Lifestyle-Berater ihrer Kunden entwickeln, der in der Lage ist, auch komplexe Finanzprodukte zu erklären und den Kunden über die einfache Versicherungspolice hinaus zu betreuen. Wer diesen Switch nicht hinbekommt, wird es zukünftig sehr schwer haben
Durch die Einführung moderner Betriebsmodelle sind Versicherer heute im Versicherungsbetrieb bereits deutlich effizienter als zu Anfang des Jahrtausends. Und auch wenn die Künstliche Intelligenz bei Versicherern derzeit noch nicht den erhofften Quantensprung in der Automatisierung der Versicherungsprozesse bringt, wird die zunehmende Digitalisierung des Backoffice zur weiteren Einsparungen führen.
Nach Ansicht des Autors wird es aber keine Massenentlassungen geben, auch weil neue Jobs in der IT entstehen. Diese Ansicht teile ich nicht. Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass neue Rollen aufgrund der Digitalisierung zu besetzen sind. Die benötigten Skills unterscheiden sich allerdings von denen des klassischen Versicherungsbetriebs.
Denn während im Operations-Bereich eher einfache Bearbeitungsaufgaben wegfallen, werden in der IT hochqualifizierte Jobs geschaffen. Auch auf Fachbereichsseite in den Sparten werden IT-Kenntnisse immer wichtiger, um die sich aus der Digitalisierung ergebenden Bedarfe zu verstehen.
Und auch die IT ist kein Garant für einen Stellenaufbau, im Gegenteil: Viele Versicherer haben ihren Infrastrukturbetrieb an IT-Dienstleister ausgelagert bzw. haben dies vor, da die ursprünglich vermuteten rechtlichen Probleme hinsichtlich Data Privacy und Security beim Outsourcing von Kundendaten gelöst werden konnten.
Außerdem lösen immer mehr Versicherer ihre eigenentwickelten Bestandsführungssysteme durch Standardsoftware vom Markt ab. Dadurch reduziert sich der Wartungsaufwand, da nur noch die unternehmensspezifischen Funktionen der Software weiterentwickelt werden müssen. Im nächsten Schritt wird dann auch noch der Betrieb vollständig ausgelagert und die Software als Service bezogen (SaaS). Insbesondere Commodity-Software wie SAP bietet sich hier an. Es werden also auch in der IT tendenziell weniger Mitarbeiter benötigt.
Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass aufgrund des weiteren Kostendrucks bald wieder Fusionen in der Versicherungsbranche auf der Tagesordnung stehen werden, die einen weiteren Stellenabbau mit sich bringen. Denn Künstliche Intelligenz und die weiteren eingeleiteten Maßnahmen werden das Kostenproblem der Versicherer nicht nachhaltig lösen können.
Originallink aufrufen