Die Digitalkonzerne forcieren das bargeldlose Zahlen, weil jeder digitale Zahlungsvorgang Daten generiert, die die Menschen durchschaubarer machen. Dies ermöglicht letztendlich Überwachung und gefährdet das Gemeinwohl, schreibt Alexander Hagelüken in der Zeit.
BigTech förderten die Abschaffung des Bargelds konsequent, indem sie das bargeldlose Zahlen für die Kunden immer einfacher mache. So habe Amazon habe bereits ein Patent auf ein Verfahren angemeldet, das die gekauften Waren mit Kameras erfasst und den Kaufbetrag vom Konto abbucht. Für den Kunden sei dies deutlich bequemer, als an der Kasse anstehen zu müssen und dann mit Bargeld zu bezahlen.
„Nun verändert das kontaktlose Bezahlen per Karte oder Handy das Kalkül entscheidend.“
In ihrem Anliegen würden die Digitalkonzerne von den Händlern unterstützt, die das bargeldlose Zahlen bevorzugten, weil die Zahlung mit Scheinen und Münzen dreimal so teuer für sie sei. Während die Eingabe von PIN oder das Unterschreiben an der Kasse die Zahlungsvorgänge teilweise sogar verlangsamten und damit mehr Personal erforderlich machten, werde mit dem zunehmenden kontaktlosen Zahlen nun auch dieses Problem gelöst.
Zahlungsfirmen wiesen stark steigende Umsätze auf, würden konsequenterweise immer mächtiger und seien teilweise bereits bedeutender als Banken. Diese verlören langsam das Monopol auf die Bankdaten, die sie ohnehin nur genutzt hätten, um Kreditrisiken besser einschätzen zu können. Die Digitalkonzerne hätten aber mehr mit den Daten vor und würden laut der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) nach dem Zahlungsverkehr zunehmend in das Geschäft mit Krediten, Versicherungen, Sparkonten und Investmentprodukten gehen.
Langfristig würde dies aber die Finanzstabilität und das Gemeinwohl gefährden, da das Risiko der totalen Überwachung durch Digitalkonzerne bestünde. Wie weit die Entwicklung gehen könne, zeige China mit WeChat Pay, wo aufgrund zusätzlicher privater Daten zum Beispiel das Scheidungsrisiko und damit das Kreditrisiko besser eingeschätzt werden könne. Der Autor empfiehlt daher, weiterhin mit Bargeld zu zahlen und so den Digitalkonzernen etwas entgegenzusetzen.
Ich kann die Bedenken von Alexander Hagelüken nachvollziehen, allerdings sind die Daten über Zahlungsvorgänge nur ein Teil der Daten, die wir alle bereitwillig den Digitalkonzernen und diversen Dienstleistern zur Verfügung stellen. So werden zum Beispiel durch die Nutzung von Handys und Apps permanent Daten an Google, Apple und Co. übermittelt, der Fitnesstracker speichert seine Daten in der Cloud, die Rückschlüsse auf unseren Gesundheitszustand zulassen, und Automobilhersteller erfassen Telematik-Daten mit unserem Fahrverhalten.
Wenn entsprechende Daten genutzt werden, um durch KYC (Know Your Customer) Prozesse für Kunden einfacher und bequemer zu machen oder Apps kostenlos bereitstellen zu können, werden sich dem nur wenige entziehen. Der Aufruf zu mehr Bargeld-Nutzung fühlt sich daher ein wenig hilflos an, denn der Effekt ist sicher nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Ich glaube, dass daher in demokratischen Staaten der Gesetzgeber den Menschen einen gewissen Schutz geben und sicherstellen muss, dass persönliche Daten nur mit Zustimmung des Daten-Owners genutzt werden dürfen. Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zum Data Privacy Shield ist ein entsprechendes Signal und wird sicher nicht das letzte Urteil zum Datenschutz gewesen sein. Auch in den USA geraten BigTech wegen ihrer Datensammelwut immer mehr in die Kritik. Und teilweise ist es sogar die Wirtschaft selbst, die fordert, dass Daten von einer neutralen Stelle verwaltet werden sollten, um eine Chancengleichheit der Beteiligten in digitalen Ökosystemen zu sicherzustellen. Es ist dennoch wichtig, dass Mahner wie Hagelüken auf die Risiken der Datensammelwut hinweisen, denn nur so wird ein entsprechendes Bewusstsein für Data Privacy und damit die Möglichkeit zum Gegensteuern geschaffen.
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