Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Gastwirte aus einer Betriebsschließungsversicherung aufgrund von Corona nun doch Zahlungen von Versicherern erhalten. Dies lassen erste Gerichtsurteile vermuten. Auch Analysten rechneten weltweit mit entsprechenden Schadenzahlungen im zweistelligen Milliardenbereich, berichtet Oliver Stock im Focus.
Das Gaststättengewerbe sei von der Corona-Krise stark betroffen. Dies wirke sich auch auf die Arbeitslosenzahlen aus. So hätten sich von April bis August 91.000 Beschäftigte aus der Branche arbeitslos gemeldet.
Die meisten Versicherer hätten sich aber geweigert, auf Basis der abgeschlossenen Policen der Betriebsschließungsversicherung in der Corona-Krise Geld an die Gastwirte zu zahlen. Entsprechende Versicherungsverträge müssten Betriebe für ihre Umsatzausfälle entschädigen, wenn diese unverschuldet schließen müssen, die Kosten aber weiterlaufen.
„Genau da aber zieren sich die meisten Versicherer, weil sie einen Dammbruch befürchten müssen. Bevorzugte Lösung bei Allianz, Ergo und Co ist es, den Kunden ,aus Kulanz‘ eine Regelung anzubieten.“
Kern der Argumentation sei, dass die Corona-Pandemie etwas Besonderes sei, die Policen aber lediglich Einzelfälle abdecken würden. Zudem seien in den Versicherungsverträgen zahlreiche Krankheiten genannt, für die die Versicherung gelte, jedoch nicht Corona. Einige Versicherer würden zudem 15 Prozent der Umsatzausfälle aus Kulanz zahlen, da 70 Prozent der Ausfälle durch den Staat gedeckt würden. Von den verbleibenden 30 Prozent würde der Versicherer dann die Hälfte übernehmen.
Erste Gerichtsverfahren seien inzwischen anhängig, wobei erste Gerichte zugunsten der Versicherungsnehmer geurteilt hätten. So habe das Landgericht Mannheim festgestellt, dass eine versicherte Betriebsschließung vorliege. Auch Analysten rechneten bereits ein, dass die Versicherer zahlen müssten und gingen weltweit von Schäden in Hohe von sieben bis 22 Milliarden Dollar für die Versicherungskonzerne aus. Einige Versicherer würden daher bereits keine Gewinnprognosen mehr abgeben.
Grundsätzlich sei der GDV daran interessiert, zukünftig ein privat-staatliches Absicherungsmodell ins Leben zu rufen, da rein privatwirtschaftlich derart flächendeckende finanzielle Schäden nicht versicherbar seien.
Ich denke, es würde die Versicherungsbranche in der Tat stark belasten, wenn für Schäden auf Basis der Betriebsschließungsversicherung zahlen müsste. Inzwischen wird auch bereits diskutiert, ob hierbei auch der zweite Lock-down abgedeckt ist, und vieles spricht dafür. Dabei wären dies nicht die einzigen negativen Auswirkungen der Corona-Krise, mit denen Versicherer rechnen müssen. Neben erhöhten Schadenzahlungen sind auch reduzierte Einnahmen zu erwarten, zum Beispiel durch insolvente Firmenkunden oder Privatkunden, die Zahlungen stunden oder mit dem Abschluss neuer Versicherungsverträge warten.
Andererseits ist das Argument des GDV grundsätzlich nachvollziehbar. Derartige Großschäden sind durch private Versicherungen nicht versicherbar bzw. eine dauerhafte Berücksichtigung würde zu deutlich erhöhten Prämien führen, die sich dann kaum ein Gastwirt mehr leisten kann.
Die Frage ist, wie die Versicherer mit den erhöhten Kosten umgehen werden. Weitere Kosteneinsparungen, insbesondere im Bereich Versicherungsbetrieb, sind unvermeidlich. Diese sind aber nur mit Hilfe der zunächst mit hohen Investitionen verbundenen Digitialisierungsinitiativen erzielbar. Es bleibt zu hoffen, dass daher nicht an dieser Stelle gespart wird.
Originallink aufrufen