Durch die Digitalisierung wächst die Bedeutung der IT in Banken. Am Beispiel der Commerzbank zeigt Hanno Mußler in seinem FAZ-Artikel, dass viele Banken daher digitale Unternehmenseinheiten etablieren. Ziel dieser Factories, Campus oder Labs ist es, dass Fachbereiche und die IT enger miteinander zusammenarbeiten. So sollen langwierige Anforderungsprozesse und Spezifikationsschleifen vermieden und digitale Innovationen schneller an den Kunden gebracht werden.
Doch mit solchen digitalen Schnellbooten alleine ist es nicht getan. Banken müssen sich insgesamt zum Technologieunternehmen wandeln, da die IT zum Ankerpunkt des Geschäftsmodells wird. Als Beispiel wird Wirecard genannt, das im Unterschied zu klassischen Banken dem Kunden digitale Services und nicht Bankprodukte verkaufen möchte. Die Börse honoriert diese Geschäftsstrategie, indem Wirecard in Kürze die Commerzbank aus dem DAX verdrängen wird – und dies mit deutlich weniger Mitarbeitern.
„Und eine weitere Erkenntnis ist wichtig: Die IT-Experten sollten nicht nur einmalig Software entwickeln, sondern auch den dauerhaften Geschäftsbetrieb verantworten“
Ich kann diesen Erkenntnissen voll und ganz zustimmen. Die Realität sieht aber anders aus: In den meisten Fällen gilt die IT weiterhin bestenfalls als „Enabler“ des alten, bekannten Business und Digitalisierung wird im Wesentlichen als Automatisierung von Prozessen verstanden. Ein grundlegender Wandel des Geschäftsmodells vom Produkt- zum Serviceprovider sieht anders aus und das Selbstverständnis zahlreicher Manager steht einem solchen Wandel entgegen. Erst wenn ein CDO nicht nur deswegen ernannt wird, weil es für die Außenwirkung wichtig ist, und der CEO sich als CDO versteht, ist eine Bank zum Technologieunternehmen geworden.
Der Weg dorthin ist für die meisten Banken und Versicherungen allerdings noch weit. Insofern sind Ansätze, IT und Fachbereiche in gemeinsamen, dezentralen Teams zusammenzuführen, zumindest ein erster richtiger Schritt. Die Dezentralität birgt allerdings das Risiko, dass neue Silos entstehen, die die Sparten zwar kurzfristig handlungsfähiger machen, aber mittel- bis langfristig die Heterogenität und den Wildwuchs der Technik fördern.
Übergreifende Vorhaben wie die im Artikel genannten zentralen Plattformen über mehrere Sparten hinweg sind bei einem dezentralen Ansatz nur dann realisierbar, wenn die Unternehmens‑ und IT-Architektur mit ausreichend Macht ausgestattet sind, um übergreifende Rahmenbedingungen vorzugeben und durchzusetzen. Aber auch das wäre für die meisten Banken und Versicherer bereits ein kleiner Paradigmenwechsel.
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